Neben dem Studium der Erziehungswissenschaften engagiert sich Sharon Maple (25) ehrenamtlich – und das schon seit Schulzeiten: Neben der Jungen Presse Berlin und der Jugendpresse Deutschland ist sie beim Deutschen Roten Kreuz als Sanitäterin und Erste-Hilfe-Ausbilderin aktiv. So viel Engagement braucht Zeit und Anerkennung. Doch gerade seit Sharon an der Universität studiert, wird ihr Engagement immer mehr ausgebremst. Wir haben mit ihr über die Probleme gesprochen. Wie war das für dich, als du mit dem Studium angefangen hast – war es schwer, Uni und Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen? Absolut. Es ist ein großer Spagat dem Ehrenamt treu zu bleiben, wenn man ein Studium anfängt – beides ist derzeit eigentlich überhaupt nicht gut miteinander vereinbar. Auch gibt es an der Uni, von den Dozent_innen bis zu den Kommiliton_innen, sehr wenig Verständnis dafür, dass man sich nebenbei auch noch freiwillig engagiert und Projekte umsetzt. Bis vor kurzem war ich noch im Vorstand bei der Jungen Presse Berlin. Das Amt musste ich niederlegen, da ich neben dem Studium einfach zu wenig Zeit dafür habe. Trotzdem versuche ich, weiterhin dort aktiv zu sein, wenn auch nicht mehr im Vorstand. Beim Roten Kreuz und der Jugendpresse Deutschland bin ich auch aktiv. Welche Lösungen hast du gefunden, um dich neben dem Studium weiter ehrenamtlich engagieren zu können? Ich versuche, meinen Stundenplan so einzurichten, dass ich weiter Zeit für die Ehrenämter habe. Aber das funktioniert nicht immer. Es hängt oft stark von den Dozent_innen ab. Manche drücken ein Auge zu, andere verweisen auf die Anwesenheitspflicht. Wenn man dann mehr als zweimal fehlt, fliegt man aus dem Kurs. Das war dann auch einer der Gründe, warum ich meine Regelstudienzeit im Bachelor verlängern musste. Hättest du bei Studienbeginn gedacht, dass du das Ehrenamt vielleicht irgendwie anrechnen lassen kannst oder gibt es an deiner Uni eine Regelung, die Ehrenamt fördert oder erleichtert? Ich dachte eigentlich von Anfang an, dass es schwierig wird, das Ehrenamt zum Beispiel als Schlüsselqualifikation anzurechnen. Es war immer eher ein zusätzlicher Stressfaktor, den ich mir selbst auferlegt habe. Es gab auch nie ein Entgegenkommen der Uni, um Ehrenamt zu fördern. Wer sich freiwillig für die Gesellschaft engagiert, wählt als Student_in eigentlich immer den steinigeren Weg. Dabei sollte das gerade andersrum sein. Das finde ich unfair und schade. Passt dein Engagement eigentlich total gut zu deinem Studienfach, so dass man da eigentlich schon sinnvoll was anrechnen lassen könnte? Für mein Master-Studium habe ich mich für Studienfächer im Bereich Öffentlichkeitsarbeit beworben. Die ganzen Kenntnisse und Erfahrungen, die ich ehrenamtlich bei der Jungen Presse Berlin in dem Bereich schon gesammelt habe, haben im ganzen Bewerbungsprozess aber überhaupt keine Rolle gespielt. Ich finde, man muss den Bewerbungsprozess fürs Studium öffnen und auch andere Qualifikationen anrechnen als nur Noten. Ich bringe durch das Ehrenamt ja schließlich auch schon praktische Kenntnisse mit, die andere vielleicht noch gar nicht haben. Mit einer unserer Forderungen setzen wir uns dafür ein, dass es Credits, Wartesemester und anerkannte Praktika für ehrenamtliches Engagement gibt. Warum wäre das sinnvoll? Gerade im Modul Schlüsselqualifikationen (Anm.: Entwicklung von praktischen Grundkompetenzen) sollte man Ehrenamt unbedingt mit Credits anrechnen lassen können. Man könnte hier ja auch ein ehrenamtliches Projekt anbinden, das man betreut oder schon betreut hat und noch einen Projektbericht oder eine Hausarbeit darüber schreiben. Damit würde die Uni auch Ehrenamt fördern. Ich glaube auch, dass sich mehr Studierende langfristig ehrenamtlich engagieren würden, wenn es Credits dafür gäbe: Leute, die sich noch nie ehrenamtlich eingebracht haben, würden einen Zugang zu Ehrenamt finden, auch für später. Dazu wäre es aber auch wichtig, an der Uni inhaltliche Unterstützung zum Thema Ehrenamt zu bekommen. Würden Credits, Wartesemester und Praktika für Ehrenamt auch zu mehr Anerkennung führen? Na klar – wenn man im Uni-Kontext Anerkennung in Form von Credits oder Praktika für das Ehrenamt bekommt wäre das perfekt. Es geht aber auch darum, das freiwillige Engagement generell mehr anzuerkennen. Ehrenamt muss von der Gesellschaft mehr gesehen und geschätzt werden! Bei mir ist es ja gerade so: All die Jahre voller Engagement fliegen mir gerade total um die Ohren, weil für das Ehrenamt Zeit drauf geht, in der ich mich auch um den Unterhalt für mein Studium kümmern muss. Es ist eigentlich ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, dass ich meine Ehrenämter wegen der Uni einschränken oder beenden muss. Man wird als Student_in eher bestraft, wenn man sich nebenbei ehrenamtlich engagiert. Aber eigentlich sollte man dafür belohnt werden.
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Credit-Points, Wartesemester oder Praktika für Ehrenamt: Wir fordern, dass Studierende ihr Engagement in Jugendverbänden an Berliner Hochschulen anrechnen lassen können. Das würde Studierenden ehrenamtliches Engagement erleichtern und zu mehr Anerkennung führen. „Als ich angefangen habe zu studieren, hätte ich schon gedacht, dass ich mein langjähriges Engagement bei der Evangelischen Jugend an der Uni anrechnen lassen kann, zum Beispiel in den Modulen ‚Berufsorientierung‘ oder ‚Arbeiten in exemplarischen Handlungsfeldern‘“, sagt Mareike, die an der Evangelischen Hochschule studiert. „Qualifikationen und Kompetenzen, die ich durch mein Ehrenamt bekommen habe, spielen an Berliner Unis aber leider gar keine Rolle.“
Derlei Erfahrungen machen leider zu viele Studierende in Berlin, egal ob sie im Vorstand ihres Jugendverbands aktiv sind, seit Jahren Jugendgruppenleiter_innen ausbilden, sich in politischen Gremien der Stadt für junge Menschen einsetzen oder wahre Projektmanager_innen beim Organisieren von Ferienfreizeiten geworden sind. Beginnen sie ein Studium, haben die wenigsten etwas von den gesammelten Kenntnissen. Daher wollen wir, dass sich Studierende in Berlin ihr Engagement in Jugendverbänden anrechnen lassen können - zum Beispiel mit Credits, Wartesemestern oder Praktika. Außerdem fordern wir eine Verlängerung der Regelstudienzeit um bis zu zwei Semester, wenn Studierende gewählte Positionen in Jugendverbänden innehaben, zum Beispiel als Vorstand, Beirat oder ähnliches. Ohne engagierte Studierende in Jugendverbänden wäre die außerschulische Bildungslandschaft in Berlin nämlich um viele Angebote ärmer. Wir finden, dass sich das Land Berlin und die Hochschulen daher auch für eine bessere Anerkennungskultur von zivilgesellschaftlichem Engagement junger Berliner_innen einsetzen müssen. Das steigert nicht nur die Motivation für ehrenamtliches Engagement, sondern schafft auch langfristige und persönliche Vorteile. Dass es auch anders geht, haben die Freie Universität mit dem Programm Welcome@FUBerlin und die Humboldt-Universität bereits gezeigt: An der Freien Universität können Studierende ihr ehrenamtliches Engagement in der Geflüchtetenhilfe seit zwei Jahren als Praktikum anrechnen lassen, ein ähnliches Programm gibt es auch an der Humboldt-Universität. Warum dann nicht auch für Ehrenamt in der Jugendverbandsarbeit? Unweit des Roten Rathauses, direkt am Fernsehturm, haben sich am 10. März 2018 Berliner Jugendverbände mit einer Aktion für die 35-Stunden-Schulwoche für Schüler_innen eingesetzt. Typische ehrenamtliche Tätigkeiten von jungen Menschen in Jugendverbänden waren bei der Kundgebung auf einem vier Meter langen, übervollen Stundenplan angebracht - und landeten auf dem Müll. "Wegen meinem vollen Stundenplan hab ich keine Zeit mehr die Jugendgruppe zu leiten!", rief Anja von der Malteser Jugend Berlin. Als eine von insgesamt zehn Jugendlichen nahm sie ihr Ehrenamt vom Stundenplan ab und entsorgte es direkt vor Ort in einem symbolischen Müllauto. Nacheinander verschwanden so Tafeln wie "Jugendleiter_innen-Ausbildung", "Klima-Demo vorbereiten" oder "Internationale Begegnung mit Israel organisieren" auf der Ladefläche des improvisierten Müllautos.
"Ehrenamtliche sind heute hier um zu zeigen, was es eigentlich bedeutet, wenn es keine Zeit mehr gibt für Engagement", so Marcel, Vorsitzender des Landesjugendring. Das Ergebnis konnte man am Ende der Aktion sehen: Übrig blieb nur ein übervoller Stundenplan mit Schulfächern, Hausaufgaben, und Nachhilfestunden - und ein Müllfahrzeug voller Ehrenamt. 45-Stunden-Schulwoche keine Seltenheit Tatsächlich fehlt vielen Schüler_innen heute massiv die Zeit sich neben Verpflichtungen für die Schule noch in ihrer Freizeit ehrenamtlich zu engagieren. Laut UNICEF arbeiten sie zum Beispiel ab Klasse 9 bereits mehr als 45 Stunden pro Woche in oder für die Schule. Zu oft fehlt es an Freiräumen und Freizeit für Hobbies, Chillen oder freiwilliges Engagement, zum Beispiel in Jugendverbänden. Ins Schulgesetz: Zeit bei Hausaufgaben sparen Darum fordern Berliner Jugendverbände und der Landesjugendring Berlin die 35-Stunden-Schulwoche - inklusive Hausaufgaben, Lernen und Nachhilfe. Dafür muss die Politik vor allem dafür sorgen, dass zum Beispiel viel weniger Zeit für Hausaufgaben drauf geht und es, auch in Ganztagsschulen, wenigstens einen freien Nachmittag für alle gibt. Im Schulgesetz sollen maximale Arbeitszeiten für Hausaufgaben festgelegt werden, sie sollten eher freiwillig sein und nicht dazu genutzt werden, dass Schüler_innen sich neuen Stoff selbst antrainieren, wie es häufig der Fall ist. |
AboutJunge Ehrenamtliche sind in Berlin an zu vielen Stellen ausgebremste Superheld_innen. Mit dem EA-Team setzt sich der Landesjugendring Berlin für bessere Rahmenbedingungen für junges Ehrenamt ein. Archiv
September 2018
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